Sinkende Halbwertszeit von Top-Managern

Sinkende Halbwertszeit von Top-Managern

Sinkende Halbwertszeit von Top-Managern 1024 683 Claus Verfürth

Ob im Profi-Fußball oder in den Vorstands- und Chefetagen der deutschen Unternehmen – häufige Wechsel des Führungspersonals werden immer mehr zur Norm. Entspricht die Leistung nicht mehr den hohen Erwartungen, kommt es schnell zum Wechsel an der Spitze. Auch vermeintliche Fehlentscheidungen führen schneller zur Trennung. Die durchschnittliche Verweildauer von Vorständen und Top-Führungskräften sinkt seit vielen Jahren. Waren es 2010 noch 8,3 Jahre, sank der Schnitt 2015 auf nur noch 6 Jahre.

Laut einer PwC-Studie muss ein Drittel der Top-Manager heute vor Vertragsende den Posten räumen.

Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich für Kontinuität steht, verschärfte sich die Situation in den letzten Jahren. Laut einer PwC-Studie muss ein Drittel der Top-Manager heute vor Vertragsende den Posten räumen. In einzelnen Branchen wie dem Finanzsektor und der Telekommunikationsindustrie trennen sich Unternehmen noch sehr viel schneller von Mitarbeitern im Executive Level. Top-Manager sind entsprechend viel häufiger mit der Situation einer beruflichen Neuorientierung konfrontiert.

Ursachen für die immer schnelleren Wechsel an der Spitze

Eine der Ursachen für die kürzer werdenden Anstellungsverhältnisse ist das Entscheidungsdilemma, vor dem Top-Manager stehen: Senior Executives werden immer häufiger aufgrund von vermeintlichen Fehlentscheidungen zu Rechenschaft gezogen. Dies führt zu einer umfassenden Absicherung von Entscheidungen durch Gutachter und externe Berater. Dadurch wird wiederum die Dauer für notwendige Entscheidungsprozesse immer mehr in die Länge gezogen. Diese „Nicht-Entscheidungs-Lage“ führt dann wieder zu dem Eindruck, dass Top-Manager nicht entscheidungsfreudig sind – was zu ihrer schnelleren Ablösung führen kann.

Die direkten Folgen immer kürzerer Amtszeiten

Mit Networking zum neuen Chefposten

Was tun, wenn mit der Position auch die Kontakte weg sind?

Die entscheidenden Fragen, die sich angesichts dieser Situation stellen, sind: Was macht das mit den Executives selbst? Sinkt mit diesem Trend gleichzeitig auch das Commitment der Manager, Verantwortung zu übernehmen und beziehungsweise schwierige Entscheidungen zu treffen?

Wenn ich damit rechnen muss, meine Position bald wieder verlassen zu müssen, wie stark werde ich dann zulassen, dass sich meine Loyalität zum Unternehmen ausprägt? Oder versuche ich nicht eher, eine sinnvolle Distanz zum Unternehmen und zur Funktion zu behalten, um mich nicht zu sehr emotional zu binden und letztlich enttäuscht zu werden?

Wie können Top-Manager für diese Situation vorsorgen?

Häufige Führungswechsel bringen für alle Beteiligten Herausforderungen und Risiken mit sich. Nicht jeder Neuanfang auf der Executive-Ebene bringt einen Befreiungsschlag. Unternehmen entsteht durch vorzeitige Entlassungen auch finanzieller Schaden, die Dynamik und Kontinuität stehen ebenso auf dem Spiel wie das Vertrauen der Mitarbeiter, Partnerunternehmen und Kapitalgeber. Auch für Vorstände und Top-Manager ist die Situation nicht optimal, wenn der Chefsessel immer mehr zum Schleudersitz wird.

Der ständig wachsende Druck, Erfolge vorweisen zu können, ist im Top-Management heute ausgeprägt wie selten zuvor.

An erster Stelle steht für Top-Manager daher die Aufgabe, sich gründlicher als je zuvor für die neue Führungsaufgabe vorzubereiten. Auch die Gestaltung der Wechselsituation selbst gewinnt immer mehr an Bedeutung. Allein aufgrund der Tatsache, dass der vormalige Arbeitgeber als Referenzgeber erhalten bleiben sollte, ist es wichtig, „erhobenen Hauptes“ zu gehen. Aber auch während eines bestehenden Anstellungsverhältnisses kann bereits vorgesorgt werden: Insbesondere das oft vernachlässigte Netzwerken ist eine wichtige Strategie zur Absicherung bzw. Fortführung der eigenen Karriere.

Berufliche Neuorientierung im Topmanagement ist die Regel, nicht die Ausnahme

Der ständig wachsende Druck, schnell Erfolge vorweisen zu können, ist im Top-Management heute so ausgeprägt wie selten zuvor. Top-Manager bekommen immer weniger Zeit für Erfolge und Aufsichtsräte fackeln nicht lange. Dies kann mit einem sich schneller verändernden Umfeld und mit steigenden Herausforderungen einer komplexen, globalisierten und digitalisierten Welt erklärt werden.

Wie wenig Top-Manager gleichzeitig auf diese Situation vorbereitet sind, zeigt das Manager-Barometer 2016/2017 von Odgers Berndtson: Die eigene Wechselbereitschaft von Top-Managern nimmt demnach seit Jahren immer stärker ab. Ob dies auf den Wunsch nach Kontinuität zurückzuführen ist oder eher darauf, sich mit der Veränderung der eigenen Person nicht auseinandersetzen zu wollen, sei dahingestellt. In jedem Fall ist es sinnvoll, persönlich auf potentielle Veränderungen vorbereitet zu sein.

Jeder Topmanager muss mittlerweile mindestens einmal im Laufe seiner Karriere einen Umbruch meistern.

Unabhängig von den spezifischen Gründen bleibt festzustellen, dass die Verweildauer auf der obersten Managementebenen in den letzten Jahren dramatisch abgenommen hat. Da die oberste Management-Riege zunehmend auch von Entlassungen betroffen ist, müssen Top-Manager heute verstärkt mit Umbruchsituationen zurechtkommen. Während früher fast galt „Einmal Vorstand, immer Vorstand“, sind diese Zeiten heute längst vorbei. Trennungen auf der Top-Führungsebene werden die Regel, nicht die Ausnahme. Jeder Topmanager muss mittlerweile mindestens einmal im Laufe seiner Karriere einen Umbruch meistern – wer diese Situationen des Umbruchs entsprechend zu meistern lernt, kann die berufliche Neuorientierung für sich als wichtigen Karriereschritt nutzen.

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Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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